Fort Myers Gun & Shooting Range (I)

Ein Thriller-Autor sollte über Waffen Bescheid wissen und darüber, wie es sich anfühlt, unterschiedliche Kaliber mit scharfer Munition abzufeuern. Da dies in Deutschland nur mit erheblichem bürokratischem Aufwand möglich ist, kam mir ein Florida-Urlaub diesbezüglich gerade recht. Eine Suchanfrage im Internet zeigte mir gleich zwei „Gun & Shooting Ranges“ in der Nähe an. Kurzentschlossen rief ich die erstbeste Nummer an. Ein sympathisch klingender Mann teilte mir mit, dass ich einfach vorbeikommen solle, wann immer ich Lust dazu hätte. Meine zaghafte Nachfrage, ob ich einen Waffenschein bräuchte, oder zumindest eine Art „Anfänger-Kurs“ belegen müsste, da ich bisher keinerlei Erfahrung mit Schusswaffen hätte, wischte er lächelnd beiseite (ja, ich bin mir 100% sicher, dass er lächelte, obwohl ich ihn natürlich nicht sehen konnte): „Komm einfach vorbei, Buddy, wir zeigen dir alles, was du wissen musst. This is America.“ Ich legte dankend auf und lächelte ebenfalls.

Da drin schien es ordentlich zur Sache zu gehen.

Zwei Stunden später parkten meine Frau und ich vor der Schießanlage, einem länglichen, flachen Gebäude. Erwartungsvoll betraten wir in den Hauptraum. Sofort stachen mir die unzähligen Pistolen, Revolver, Gewehre, ja sogar Sturmgewehre ins Auge, die zu Dutzenden an den Wänden hinter den Tresen hingen. Viele davon konnte man für die Dauer des Aufenthalts auf der Schießanlage mieten (von Kaliber 22 bis hin zur Dirty-Harry-Wumme), andere wurden zum Verkauf angeboten; neu oder gebraucht. Auf den angrenzenden Schießständen, die abgetrennt und nicht einzusehen waren, knallten unablässig Schüsse – gedämpft aber deutlich hörbar. Da drin schien es ordentlich zur Sache zu gehen.

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Wie in den USA üblich, wurden wir sofort freundlich begrüßt und nach unserem Anliegen gefragt. Angesichts der vielen Waffen an der Wand und Angestellten, die respektable Revolver in Gürtelholster trugen, antwortete ich ein klein wenig eingeschüchtert, dass wir gerne „mal schießen“ würden, aber keinerlei Erfahrung haben. Auch jetzt wieder: „No Problem“. Wir mussten je ein Formular ausfüllen, in dem wir bestätigten, dass wir keine Terroristen oder gefährliche Psychopathen seien und brav die Regeln der Schießanlage befolgen würden. Danach zeigten wir noch unseren Pass vor, mehr Formalitäten waren nicht notwendig. Jetzt konnte es tatsächlich losgehen. Ich spürte einen ersten Adrenalinschub.

Nicht panisch, aber sichtlich alarmiert, sprang sofort einer der Angestellten hinter der Theke hervor.

Während einer der Angestellten, Jeff, unseren Korb mit Waffe, Munition, Zielscheibe, Schutzbrille und Ohrschützer zusammenstellte, ging die Eingangstür auf. Ein betagter Rentner mit einem Gewehr in der Hand trat mit wackeligen Beinen ein. Er wurde sofort darauf hingewiesen, dass man Waffen in Florida nicht offen mit sich herumtragen darf, und ob er denn keine Tasche dafür hätte? Er ging nicht darauf ein und erwiderte stattdessen, dass er hier nur mal kurz testen wolle, ob das „alte Ding“ noch funktioniert, wobei er das Gewehr in der Luft hin und her schwenkte. Nicht panisch, aber sichtlich alarmiert, sprang sofort einer der Angestellten hinter der Theke hervor, nahm dem Rentner das Gewehr ab, prüfte, ob es womöglich geladen war (nein, war es zum Glück nicht) und kümmerte sich danach freundlich um das Anliegen des älteren Herren. Marion und ich sahen uns leicht zweifelnd an, aber dann war es endlich soweit:

Wir bekamen unser Equipment ausgehändigt. Die Waffe, eine Browning Buck Mark Kaliber 22, war gesichert, der Lauf zusätzlich mit einem roten Plastikpfropfen blockiert. Wir zogen Schutzbrillen und Ohrschützer auf, dann betraten wir gemeinsam mit Jeff die Schießhalle. Es gab sechs Schießstände, fünf davon waren belegt. Die Schüsse, die wir zuvor nur gedämpft wahrgenommen hatten, knallten hier lauter. Sehr viel lauter. Trotz Ohrschützer zuckten wir in den ersten Minuten immer wieder zusammen, bis wir uns einigermaßen an diese Geräuschkulisse gewöhnt hatten.

Ich nahm zum ersten Mal eine echte Pistole in die Hand! Ich verspürte Respekt.

IMG_4587Jeff erklärte uns die Regeln: Wo wir uns aufhalten durften, und wo nicht, in welche Richtung der Lauf der Waffe beim Laden zeigen muss, wie man die Zielscheibe vor und zurückfährt, etc. Danach machte er uns mit den grundlegenden Funktionen der Browning vertraut: Sicherungshebel, Schlitten, Abzugshebel, Magazin und Munition. Bevor ich den ersten Schuss abgeben konnte, musste ich das Magazin mit Patronen bestücken – ein Vorgang, der im Laufe der nächsten Stunde rasch Routine wurde. Jeff zeigte uns, wie man die Browning korrekt hält und zielt, dann kam der große Moment: Ich nahm zum ersten Mal eine echte Pistole in die Hand! Ich verspürte Respekt. Die Buck Mark fühlte sich massiv an, obwohl Kaliber 22 eine vergleichbar leichte Waffe ist, die gut für Anfänger geeignet ist. Ich hob den Lauf, vergewisserte mich, dass ich entsichert hatte, legte den Zeigefinger sanft an den Abzugshebel, zielte und bereitete mich auf den Rückstoß vor. Dann schoss ich.

Es knallte. Laut, aber nicht so laut wie bei unserem Nebenmann, der auf seinem Schießstand mit einem Revolver zugange war, der Dirty Harry alle Ehre machte. Der Rückstoß war weniger stark als erwartet, und gleich mein erster Schuss war ein Volltreffer. Okay, vielleicht sollte ich dazu sagen, dass die Zielscheibe in lediglich drei Meter Entfernung hing. Trotzdem. Jeff nickte zufrieden und ließ Marion und mich alleine. Ab jetzt durften wir nach Herzenslust auf die Zielscheibe ballern. Was wir auch taten. Mit der Zeit wurden Handhabung und Abläufe immer sicherer, und rasch ließen wir die Zielscheibe weiter nach hinten fahren. Wir trafen beide überraschend gut. Marion sogar ein klein wenig besser als ich. Ehre, wem Ehre gebührt.

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Ich muss zugeben: Es machte Spaß. Viel mehr Spaß sogar, als ich im Vorfeld angenommen hatte. Rasch hatten wir 100 Schuss Munition verballert, eine knappe Stunde war inzwischen vorüber. Wir entschieden, dass dies für unsere erste Shooting Range-Erfahrung reichte. Wir gaben Waffe und Ausrüstung zurück, zahlten summa summarum für alles zusammen lächerliche 15 US-Dollar, und zumindest ich wusste schon beim Verlassen des Parkplatzes, dass ich nicht das letzte Mal hier gewesen sein würde. Die Dirty-Harry-Wumme meines Nebenmannes ging mir irgendwie nicht mehr aus dem Kopf …

 

To be continued …


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